Tools & Tactics: Burnout

Menschen, die in Medizin und Verwaltung tätig sind, Polizist:innen und Angehörige anderer helfender Berufe haben ein erhöhtes Risiko, "auszubrennen". Trends wie Arbeitsbeschleunigung, ständige Erreichbarkeit und zunehmend verschwimmende Grenzen zwischen Beruf und Privatleben bringen zusätzliche Herausforderungen mit sich. Doch was versteht man eigentlich unter einem "Burnout"? Wer ist gefährdet? Und was kann man tun?

Ist Burnout eine Erkrankung?

Viele Betroffene und Psycholog:innen würden diese Frage sicher mit „Ja“ beantworten. Aus wissenschaftlicher Sicht ist bis heute allerdings unklar, ob es sich beim „Burnout-Syndrom“ um ein eigenständiges Erkrankungsbild handelt.

Entgegen anderslautender Medienberichte wird Burnout auch nach wie vor nicht durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Erkrankung definiert. In der kürzlich verabschiedeten statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11), in der verbindliche Diagnosekriterien für psychische Erkrankungen festgelegt werden, wird Burnout im Kapitel „Probleme in Zusammenhang mit Beruf und Arbeitslosigkeit" angeführt. Burnout wird daher explizit von der WHO erwähnt, aber eben "nur" als Problem und nicht als Krankheit.

Was auf den ersten Blick nach einer eher akademischen Diskussion mit wenig Praxisrelevanz klingt, hat tatsächlich leider gravierende Auswirkungen: gibt es keine eindeutige und international verbindliche Einordnung als Erkrankung, erschwert dies nicht nur die systematische Forschung, sondern auch die zielgerichtete Versorgung der Betroffenen enorm. Diese Problematik zieht sich durch die gesamte Burnoutdiskussion.

Woran erkennt man ein Burnout?

Trotz der nach wie vor bestehenden Definitionsprobleme gehen viele Wissenschaftler:innen davon aus, dass es sich beim Burnout-Syndrom um ein eigenständiges Phänomen handelt. Am ehesten lässt es sich als Überlastungsreaktion beschreiben, die als Vorstufe bzw. als Risikofaktor für psychische und körperliche Erkrankungen verstanden werden kann.

In der  Klassifikation der WHO wird das Erscheinungsbild eines Burnouts zudem genauer beschrieben. Demzufolge resultiert Burnout aus chronischem beruflichen Stress, der nicht erfolgreich bewältigt werden konnte. Das Erscheinungsbild ist durch 3 Dimensionen gekennzeichnet.

3 Dimensionen des Burnouts gemäß WHO

  • Gefühle von Energielosigkeit und Erschöpfung
  • Distanzierung, Negativismus und Zynismus in Zusammenhang mit der eigenen Arbeit
  • Subjektiv verminderte Arbeitsleistung

Vor allem der Begriff "Zynismus" ist in diesem Zusammenhang nicht selbsterklärend. In der Burnoutforschung versteht man darunter eine gleichgültige, distanzierte Einstellung zur Arbeit und zu zwischenmenschlichen Kontakten.

Darüber hinaus definiert praktisch jede(r) Forscher:in Burnout mehr oder weniger unterschiedlich. Eine zentrale Gemeinsamkeit vieler wissenschaftlicher Arbeiten ist zumeist das Merkmal der Erschöpfung, die in folgenden Aspekten zum Ausdruck kommen kann:

  • körperliche Erschöpfung: z.B. Energiemangel, chronische Müdigkeit
  • emotionale Erschöpfung: z.B. Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Leere, Verzweiflung
  • geistige Erschöpfung: z.B. negative Einstellungen zu sich selbst, zur Arbeit und zum Leben, entwertende Einstellungen zu anderen, Gefühle der Minderwertigkeit

Risikofaktoren

Die Risikofaktoren für Burnout sind vielgestaltig und multidimensional. Entscheidend ist, dass diese weder in Persönlichkeitsmerkmalen alleine, noch ausschließlich im Arbeitsumfeld zu finden sind. Ein erhöhtes Risiko entsteht demzufolge aus einer ungünstigen Kombination persönlicher Anteile und berufsbezogener Anforderungen bzw. Belastungen.

Zu den persönlichen Risikofaktoren zählen unter anderem:

  • geringe Selbstachtung
  • starke Abhängigkeit von äußerer Belohnung und Anerkennung
  • unrealistische Erwartungen an den Beruf und erhöhte Leistungsansprüche an sich selbst
  • Selbstüberforderungstendenzen
  • Perfektionsstreben
  • mangelnde Distanzierungsfähigkeit von der Arbeit

Risikofaktoren im Bereich der Lebens- und Arbeitsumstände umfassen beispielsweise:

  • chronische Arbeitsbelastung und Zeitdruck
  • geringe Autonomie
  • mangelnde positive Rückmeldungen
  • Rollenunklarheiten bzw. -konflikte
  • zu viel Bürokratie
  • Unvereinbarkeit des Berufs mit eigenen Werten
  • Arbeitsplatzunsicherheit
  • Ungerechtigkeiten
  • negatives Betriebsklima und geringe soziale Unterstützung
  • übertriebene Kontrolle und schuldorientierte Fehlerkultur
  • kritische Lebensereignisse bzw. -phasen wie Berufseintritt, Erkrankungen, ausgeprägte Konflikte am Arbeitsplatz

Verlauf

Der Verlauf eines Burnouts wird häufig in Form von Phasenmodellen beschrieben. Diese folgen zumeist dem Grundgedanken, dass ein anfänglich bestehendes Überengagement zu erhöhter Verausgabung, Frustration und letztendlich Erschöpfung führt. Diese Idee einer "Burnoutentwicklung" wirkt anschaulich und nachvollziehbar, konnte wissenschaftlich aber bisher nicht bestätigt werden. Studien sprechen eher dafür, dass die mit einem Burnout typischerweise verbundenen Verhaltensaspekte weitgehend stabile Bewältigungsmuster darstellen, mit denen manche Menschen beruflichen Belastungen begegnen.

Auch der vielzitierte Ausspruch "nur wer einmal gebrannt hat, kann ausbrennen", der nahelegt, dass nur besonders engagierte Mitarbeitende ausbrennen, lässt sich wissenschaftlich nicht belegen. Tatsächlich erleben viele besonders motivierte Menschen trotz hohen Arbeitspensums nie ein Burnout. Umgekehrt können auch Menschen ausbrennen, die weder eine besonders ausgeprägte Motivation zeigen, noch über die Maßen arbeiten.

Weitgehend unbestritten ist hingegen, dass ein Burnout über längere Zeit schleichend verlaufen und letztendlich mit einem erhöhten Risiko für ernsthafte psychische und körperliche Erkrankungen – insbesondere Depressionen – verbunden sein kann.

Was tun?

Viele Symptome, die mit einem Burnout verbunden sein können, können auch im Rahmen anderer körperlicher und/oder psychischer Erkrankungen auftreten (wie z.B. Anämie, Diabetes, Borreliose, Depression, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörung). Bei Vorliegen von Symptomen empfiehlt sich daher grundsätzlich eine medizinische und psychologische Abklärung.

Selbsttests, wie sie auf diversen Websites anzutreffen sind, sind schon alleine aufgrund des Mangels an verbindlichen diagnostischen Kriterien nur begrenzt aussagekräftig und können eine klinisch-psychologische Abklärung nicht ersetzen.

Bestätigt sich der Verdacht auf eine berufsbezogene Überlastungssituation als Ursache einer bestehenden Symptomatik, wird im Rahmen einer psychologischen Therapie ein individueller Behandlungsplan erstellt. Dabei wird zumeist auf vier Interventionsebenen angesetzt.

4 Interventionsebenen bei beruflicher Überlastung

  • Training der eigenen Stresswahrnehmung
  • Identifikation und Veränderung stressverschärfender Gedanken
  • Klärung zugrundeliegender Motive und innerer Konflikte
  • Förderung von Regeneration und Erholung

In jedem Fall ist es allerdings sinnvoller, das eigene Arbeits- und Regenerationsverhalten rechtzeitig einer kritischen Prüfung zu unterziehen und aktiv zu gestalten, als zuzuwarten bis eine manifeste psychische Symptomatik vorliegt. Dabei bestehen zahlreiche Möglichkeiten, den Umgang mit berufsbezogenen Belastungen zu verbessern (siehe Literaturempfehlungen). Beispielsweise kann Regeneration bewusst nach den eigenen Bedürfnissen ausgerichtet werden.

Regeneration bewusst gestalten (nach Kaluza, 2018)

Effektive Erholung hängt von der Art der beruflichen Beanspruchung ab und sollte ein "Gegengewicht" zu beruflichen Belastungen darstellen.

Fühlt man sich beispielsweise gereizt, aufgekratzt oder nervös sollte Erholung darauf abzielen, Aktivierung zu reduzieren und zur Ruhe zu finden. Dies kann durch Spaziergänge in der Natur, Ausdauersport oder entspannte, gesellige Zusammenkünfte gefördert werden.

Hinter schlechter Laune und Frustration können hingegen einseitige berufliche Anforderungen stehen. In solchen Fällen gilt es, einen bewussten "Gegenpunkt" zu beruflichen Beanspruchungen zu setzen. Wer zum Beispiel vor allem Kopfarbeit leistet, könnte verstärkt auf kreative, körperorientierte Freizeitaktivitäten setzen. Wer hingegen vor allem körperlich gefordert wird sollte eher anregende, geistige Freizeitaktivitäten wählen.

Fühlt man sich wiederum gelangweilt oder unausgefüllt, kann es sinnvoll sein, außerberufliche Herausforderungen zu suchen, wie zum Beispiel ein Instrument zu lernen oder sich ehrenamtlich zu engagieren.

Und ist man schlicht und einfach erschöpft und völlig erledigt nach verrichteter Arbeit, gilt es vorwiegend, Energie zu tanken. Nichtstun, dösen, chillen und ausreichender Schlaf sind in solchen Fällen sinnvolle Wege zur Regeneration.